Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Tina Fibiger
Datum:
Dauer: 04:30 Minuten bisher gehört: 124
Ein besonderes Kapitel Zeitgeschichte dokumentieren die Aufnahmen aus dem Nachlass von Fritz Paul. Der Göttinger Bildjournalist hat nach dem Zweiten Weltkrieg über lange Jahre das Leben im Grenzdurchgangslager Friedland begleitet. Die 6.000 Aufnahmen und Negative über das Lager bereichern künftig die Sammlung des Museum Friedland. Vergangene Woche übergab Christian Paul den fotografischen Nachlass seines Vaters an das Museumsteam, dass mit den Aufnahmen seine Forschung zur Geschichte des Lagers vertiefen kann. Aus Friedland berichtet Tina Fibiger.

Manuskript

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In der Dauerausstellung des Museum Friedland sind bereits einige Aufnahmen von Fritz Paul zu sehen. Der Göttinger Bildjournalist hatte natürlich nicht nur die Geschichte des Lagers im Blick sondern auch medienwirksame Ereignisse wie etwa die Ankunft der 10.000 Kriegsgefangenen aus russischer Haft, die der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer 1955 ausgehandelt hatte. Auch dazu bergen die beiden Aktenordner und der Beutel mit Filmrollen, die Christian Paul dem Museum Friedland überließ, weitere Aufnahmen. Zwei Fotos von Kriegsheimkehrern bewegten den Sohn des Friedländer Zeitchronisten ganz besonders:

 

O-Ton 1, Christian Paul, 43 Sekunden

Einer presst an seine Brust eine junge Katze und ein anderer ist zu sehen, der hat an einer Art provisorischen Strick einen ganz jungen Hund. Der muss ihm auch irgendwo zugelaufen sein. Das sind so Fotos, die ich noch aus Kinderzeiten auch im Grunde in Erinnerung habe. Er hat ja versucht, die Intimsphäre der Menschen außen vor zu lassen. Aber ich habe in Erinnerung ein Foto von einer Frau, die auf ihn zukommt, und er muss – ich würde fast sagen – ausnahmsweise auf den Auslöser gedrückt haben: Denn diese Frau, die wirkte schwer traumatisiert: Das ist sicherlich eine Person, wie sie damals hier eben anzutreffen war. “

 

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Paul berichtet bei der Übergabe der Fotodokumente an das Museumsteam, dass er erst durch eine Examensarbeit erfahren habe, dass sich sein Vater nach den ersten Aufnahmen in Friedland entschlossen hatte, Bildjournalist zu werden. Der junge Fotoassistent Fritz Paul übernahm im Lager zunächst Kleinaufträge, während er den Alltag dokumentierte. Gefragt waren Reproduktionen von Fotos vermisster Angehöriger und Aufnahmen von Flüchtlingen für ihre Wiedergutmachungsanträge. Für das Deutsche Rote Kreuz übernahm er die Gestaltung der Suchdienstplakate. Auch als Theaterfotograf arbeitete der spätere Tageblatt-Fotograf zwischenzeitlich und beleuchtete weiterhin die Sozialgeschichte des Lagers. Ewa Kruppa, die als Restauratorin im Museum Friedland die Sammlungen betreut, betont auch den besonderen Blickwinkel des langjährige Lagerchronisten, der in vielen Aufnahmen zum Ausdruck kommt.

 

O-Ton 2, Ewa Kruppa, 38 Sekunden

Bildkomposition oder Lichtführung, die Fritz Paul auch bewusst berücksichtigt und in seinen Bildern mit einbaut. Es gibt beispielsweise auch eine Aufnahme vom Ostlager zu sehen, also mit Blick auf die evangelische Lagerkapelle, links das Deutsche Rote Kreuz-Heim und davor Bewohner eben: Scheinbar eine sehr neutrale, nüchterne Aufnahme. Aber wenn man genau hinschaut, gibt es ein Kind. Das schaut den Fotografen an und schon wird das Bild besonders und fesselt den Betrachter. Also Lebensalltag, wie sich das eben auch hier gestaltet hatte, eben auch mit einem interessierten Blick.“

 

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Kruppa betrachtet die 6.000 Aufnahmen und Negative aus dem Nachlass von Fritz Paul als wichtige Quelle, mit der sich Lücken in der Geschichte des Grenzdurchgangslagers schließen können. Anhand der Fotos lassen sich für sie auch Veränderungen in der Struktur des Lagers erschließen, wie es sich über die Jahre und Jahrzehnte entwickelt hat. Mit dem Museumsteam wird sie den Bestand sichten, dokumentieren und auch digitalisieren.

 

O- Ton 3, Ewa Kruppa, 22 Sekunden

Somit können wir den Bestand auch für die Öffentlichkeit und für die Forschung zur Verfügung stellen: Dass es eben auch thematische Ausstellungen dazu gibt oder auch eine Publikation auch begleiten kann. Wir haben jetzt vor, diese kleine Auswahl, die wir hier im Foyer präsentieren, auf jeden Fall noch bis Anfang nächsten Jahres hängen zu lassen. Und ich kann mir durchaus vorstellen, dass das auch auf Interesse stoßen wird.“

 

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Im Januar soll es im Museum Friedland ein Erzählcafé zur Geschichte des Lagers geben. Auch dabei sind die Aufnahmen von Fritz Paul für Ewa Kruppa eine wichtige Quelle für den weiteren gemeinsamen Erfahrungsaustausch in Gesprächen mit den Bewohnern des Lagers, den Besuchern und den ehemaligen Mitarbeitern im Grenzdurchgangslager Friedland.