Ein Querkopf auf dem Dorf – unterwegs mit Wihelm Busch
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Tina Fibiger |
Datum: | |
Dauer: | 04:47 Minuten bisher gehört: 219 |
Manuskript
Text
Die Tür knarzt und auch die alten Dielen in der Wilhelm-Busch-Mühle. Von ferne vernehmen die Zuschauer auch ein leichtes Rauschen, das alsbald vom Klang des Akkordeons überstimmt wird. Andreas Jeßing kündigt zwar eine Reise durch unwegsames Buschland an. Aber natürlich erheitern die Verse mit dem feinen Spott auch musikalisch. So wie jetzt in den Betrachtungen über einen Querkopf, der sich seinen Eigensinn von Niemand nehmen lässt. Dabei spielt der Göttinger Schauspieler natürlich auch auf den Titel seine „Wilhelm-Busch-Expedition an, wo eben nicht nur Max und Moritz als ländliche Ruhestörer umtriebig waren.
O-Ton 1, Einspieler, Ein Querkopf auf dem Dorf, 28 Sekunden
„Ein eigner Kerl war Krischan Bolte, /Er tat nicht gerne, was er sollte. / Als Kind schon ist er so gewesen, / Religion, Rechtschreiben und Lesen / Fielen für ihn nicht ins Gewicht: / Er sollte zur Schule und wollte nicht.“
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Seltsame Gestalten im Buschwerk des Autors und Malers hat Jeßing besonders im Blick. Dazu gehören auch diese Konturwesen, wie Busch sie nannte, wenn er mit dem literarischen Zeichenstift zum Beispiel über Nasen spottete. Dem Riechorgan des trinkfreudigen Onkels widmete er ein stimmungsvolles Portrait. Dagegen erlebt die neugierige Nachbarin, die ihre Nase auch gern in Fleischtöpfe reinhängt, in der Erzählung von der alten „Slüksche“ eine äußerst schmerzhafte Überraschung.
O-Ton 2, Einspieler, Ein Querkopf auf dem Dorf“, 22 Sekunden
„Und den Abend ging sie hin und legte sich in der Frau ihr Bett. Bald danach kam der Bauer der meinte, seine Frau läge da im Bette, im Dunkeln herein geschlichen, schnitt ihr die Haare ab und prügelte sie so lange, bis die drei Haselstöcke in Stücken waren. Dann gab er ihr noch einen Schub, dass sie aus der Türe flog.“
Text
Mit Busch lässt Jeßing immer wieder den Sammler von alten Märchen zu Wort kommen, der seine Geschichten gern mit Gespenstern und Fabelwesen verwebte. Nicht minder seltsam muten die vielen kleingeistigen Zeitgenossen an, denen er mit gespitzter Versfeder zusetze: Dem klagenden Junggesellen, der sich nach einer häuslichen Rundumversorgung sehnt oder auch dem eitlen Selbstdarsteller, der so gern vor dem Spiegel posiert. Große Töne darf auch der dicke Mehlsack spucken, bis ihn die Körner bei Busch eines Besseren belehren.
O-Ton 3, Einspieler, Ein Querkopf auf dem Dorf, 34 Sekunden
„Ich, sprach er, bin der volle Sack. / Ihr Ähren seid nur dünnes Pack. / Ich bin’s, der Euch auf dieser Welt / In Einigkeit zusammenhält. / Ich bin’s, der hoch vonnöten ist, / Dass Euch das Federvieh nicht frisst / Ich, dessen hohe Fassungskraft / Euch schließlich in die Mühle schafft. / Verneigt euch tief, denn ich bin Der! / Was wärtet ihr, wenn ich nicht wär? / Sanft rauschten die Ähren: / Du wärst ein leerer Schlauch, wenn wir nicht wären.“
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Mit dem Sprachkünstler Busch entdeckt der Schauspieler seinen Zuhörern auch den aufmerksamen Chronisten, der in seinen Briefen auch Reisebilder entwarf und dann zum Beispiel die Stadtgesellschaft Antwerpens ironisch unter die Lupe nahm. Oft sprudeln die Bilder nur so aus den Worten und den Reimen und entfachen dabei auch ein rhythmisches Feuerwerk, wenn die Stimme von Andreas Jeßing sie so wunderbar vieldeutig aufmuntert, dass sie lebhaft und versonnen zu denken geben. Wild brummt und rumort das Akkordeon neben dem stattlichen Mahlwerk, wenn jetzt auch noch der Rapper Wilhelm Busch mit seinem einmalig widerspenstigen Taktgefühl zum Zuge kommt.
O-Ton 4, Einspieler, Ein Querkopf auf dem Lande, 16 Sekunden
„Kein Lüftchen weht. Der Dorfpoet ergreift seinen Stock, um zu spazieren nach Loccum. Und wie er so geht auf der langen Chaussee und die Augen verdreht auf der Rehburger Höh‘, wo einst drei Musen gesessen, um Rosenkohlsalat zu essen, den sie sonst nicht kriegten, fing er gleich an zu dichten.“
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Auch der Träumer und Sehnsuchtsmensch Wilhelm Busch bekommt auf dieser kleinen Reise durch das unwegsame Buschland des Dichters und Malers eine Stimme, selbst wenn es dabei erneut gruselig zugeht und der Schläfer unsanft geweckt wird. Selbst langjährige Wilhelm-Busch-Fans kommen mit Andreas Jeßing immer wieder ins Staunen, was der Querkopf auf dem Dorf neben seinen Bildergeschichten noch so alles ersonnen, fantasiert und imaginiert hat, um daraus seine feinen und fiesen Sprachkunstwerke zu zeichnen.
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