Personal Jesus – Neue Musikshow-Premiere im Jungen Theater Göttingen
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Roman Kupisch |
Datum: | |
Dauer: | 03:44 Minuten bisher gehört: 300 |
Manuskript
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Man kennt das von Intendanten-Grußworten und Premierenfeiern – die wortreiche Beteuerung der Aktualität 400 Jahre alter Theaterstücke. Ist beispielsweise bei rechtem Licht betrachtet, Shakespeares Gesamtwerk nicht eigentlich eine Parabel auf den Brexit? Sie glauben nein? Dann schauen Sie doch mal in das nächste Spielzeitheft ihres Stadttheaters. Dergleichen Verränkungen muss das Musiktheater nicht machen. Für das Thema des fünften musikalischen Abends am Jungen Theater gibt es eine ganz plausible Begründung: nachdem sich die Musikshows vergangener Spielzeiten vor allem bei den 60er und 70er bedient hatten, waren laut Regisseur Tobias Sosinka nun einfach die 80er an der Reihe. Warum der Abend aber nicht Cherry Cherry Lady, sondern Personal Jesus heißt, das hat dann doch inhaltliche Gründe. Denn der Song Personal Jesus, Ende der 80er von der britischen Band Depeche Mode herausgebracht, biete vielerlei Anknüpfungspunkte. Er stehe sowohl für eine neue musikalische Ästhetik als auch für die Indienstnahme von Pop als Ersatzreligion. So sieht es zumindest Fred Kerkmann - Leiter der JT Hausband:
O-Ton 1, Fred Kerkmann, 35 Sekunden
„Also das Spannende war am Anfang wirklich in der Konzeption dieser Geschichte - es geht ja um Glauben und um Identität und, was soll ich sagen, ich bin in den 80ern groß geworden und es war halt irgendwie meine Zeit und in dieser Zeit ist natürlich Musik Ausdruck gewesen von Identität und auch Ausdruck von Glauben - und das ist spannend damals war das, ich weiß das noch, es war viel krasser, wie diese Lager funktionierten. Auf der einen Seite - also ich war Punk - und auf der anderen Seite gab's halt Sandra und DJ Bobo und Modern Talking und das war komplett der Feind.“
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Eine Feindschaft, die dieser Inszenierung als roten Faden dient. Aber nur ganz unterschwellig. Denn weder Dieter Bohlen, noch DJ Bobo oder Milli Vanilli wurden von Kerkmann mit ins Programm genommen. Dafür aber die Talking Heads, Queen, Lou Reed und weitere. Den erzählerischen Rahmen bildet daher auch nicht die Frage, ob es Modern Talking und David Bowie jemals zusammen auf ein Mixtape geschafft haben. Vielmehr soll es um musikgeschichtliche Querverbindungen und Entwicklungsstränge gehen. Regisseur und Bandleader setzen dabei ganz auf die Fähigkeit ihres Theaterensembles, wie Tobias Sosinka erläutert. Denn Musik spielt einen wichtigen Bezugspunkt für Erinnerungen und Identitätsbildung. Und das gilt ganz besonders für die heutige Zeit. Sämtliche musikalischen Moden und Stilrichtungen sind überall jederzeit zugänglich. Das Theater sieht Sosinka daher als eine Möglichkeit mit einem anderen Blick auf Altbekanntes zu schauen.
O-Ton 2, Tobias Sosinka, 31 Sekunden
„Also man könnte eher sagen, wir machen keine Kopie, wir stellen nicht die Madonna auf die Bühne. Sondern wir covern das, vielleicht müsste man das so beschreiben und das geht auch nicht anders – das ist dann übrigens die Qualität zwischen ich sag mal reiner Sängerin und Schauspielerin, die sehr gut singen kann – weil das ist auch ein sehr spielerischer Prozess, mit denen man sich diese Songs erobert und sie zum eigenen macht, also Madonna können wir auch auf Video gucken, brauchen wir nicht und wenn Frau Brehl das singt, dann wird Frau Brehl das singen und das figurieren und das zu ihrem machen.“
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Als eine fröhliche 80er Party möchte der Regisseur seine Inszenierung daher nicht verstanden wissen. Die Frage ist allerdings, als was denn sonst? Der Hinweis darauf, dass Schauspieler mehr können, als bühnentaugliche Coverversionen abzuliefern ist sicher richtig. Doch kann auch Musik mehr als bloß oberflächlich zu sein. Es reicht zudem vollkommen aus, bei einer Musikshow in erster Linie musikalische Statements zu setzen. Nicht umsonst ist die Programmliste sorgfältig nach inhaltlichen Kriterien ausgewählt. Und wenn das Ergebnis dann auch noch unterhaltend ist, schmälert das nicht notwendigerweise den künstlerischen Anspruch. Ganz im Gegenteil - wer bestens ausgebildete Musiker und Schauspieler zusammen auf die Bühne stellt, hat auch das Recht zu unterhalten.
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