„Philoktet“ im Fridtjof-Nansen-Haus – Dramatischer Abstecher des Deutschen Theaters
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Tina Fibiger |
Datum: | |
Dauer: | 05:01 Minuten bisher gehört: 236 |
Manuskript
O-Ton 1, Einspieler „Philoktet“, 20 Sekunden
„Fürchte sein Elend mehr als seinen Bogen. / Nur blind für seine Wunde heilst du die /.Nur taub für seinen Jammer stillst du den / Allein in deiner Hand liegt jetzt das ganze / Denn was mir bleibt dabei kann ist beten um ein wenig Schläue mehr für dich“
Text
Die Fakten sind auch zehn Jahre nach Kriegsbeginn noch gegenwärtig. Philoktet hat sich auf der stürmischen Überfahrt nach Troja von einer Schlange beißen lassen, um die Götter günstig zu stimmen. Weil seine stinkende Wunde und die Schmerzensschreie die Moral des griechischen Heeres schwächten, verbannte ihn Heerführer Odysseus auf die menschenleere Insel Lemnos. Jetzt ist es an der Zeit, diese Fakten strategisch neu zu justieren, denn der Krieg dauert an. Jetzt ist Philoktet mit seinem tödlich treffsicheren Bogen wieder gefragt, um den Sieg über die Trojaner zu beschleunigen. In dieser seltsam sperrigen und monströsen Halle des Fridtjof-Nansen-Hauses beginnt ein taktischer Dreikampf, in die Müller die antiken Helden seines Schauspiels treibt. Odysseus macht den jungen Neoptolemos zum taktischen Verhandlungsführer mit dem vom Hass zerfressenen Inselbewohner.
O-Ton 2, Einspieler „Philoktet“,37 Sekunden
„Lebendes auf meinem toten Strand. / Ein Ding, das aufrecht geht wie vordem ich / Auf anderem Boden mit zwei heilen Beinen. / Mensch, Tier oder Grieche? / Und wenn du der bist, hörst du auf zu sein.“
Text
Mit Carsten Hentrig als Odysseus, Moritz Schulze als Neoptolemos und Andreas Jeßing in der Rolle des Philoktet durchdringt Regisseur Elias Perrig hier ein sprachgewaltiges Lügengewebe. Hinter den Worten und den Versen lauern unendlich viele böse Fallen, weil die Wahrheit in diesem abgekarteten Spiel nicht zulässig ist. Der Pragmatiker Odysseus hat einzig und allein das Kriegsziel im Blick und da ist ihm jedes Mittel recht. Dass sein junger Gefolgsmann Neoptolemos verlogene Tarnmanöver scheut und lieber auf einen offenen Schlagabtausch vertraut, macht ihn auch nur vorübergehend fast verwundbar. Hinter Philoktets wütenden Hasstiraden verbirgt sich ebenfalls noch eine andere gequälte Stimme, die nach menschlicher Nähe hungert, während er sich zum Gefecht rüstet
O-Ton 3, Einspieler „Philoktet“, 40 Sekunden
„ Mit welcher Sprache, lernest du lügen / Mensch, welche Hündin warf dich in die Welt / Welch guter oder schlimmer Wind dein Schiff / auf meinen Steinstrand /den Schiffe meiden / Seit ich das Meer nach nahenden Schiffen abweid / mit ältern Augen immer ohne Glück / Auf meinem Fels allein mit meinen Geiern“
Text
Die drei Schauspieler ringen mit Körper und Stimme um jedes Wort, damit es sich auch in seiner hinterlistigen Bedeutung mitteilt und den Raum in Aufruhr versetzt: Wenn sich die brennende Wut des Philoktet auf seinen verräterischen Kriegsgefährten entlädt und auch dann, wenn ihm Neoptolemos in einer versöhnlichen Geste den überlebenswichtigen Bogen wieder überlässt, während Odysseus seine Verhandlungsstrategie erneut justiert. Es ist auch ein Kampf mit dem Raum selbst, den Carsten Hentrich, Moritz Schulze und Andreas Jeßing hier aufnehmen, wenn sie den ständig knarzenden Bodendielen trotzen und dem Hall, der ihre Verse bedrängt. Doch es ist gerade diese widerspenstige Atmosphäre, die ihren Krieg der Worte antreibt, in dem so lange mit Tarnmanövern und falschen Kompromissen operiert wird, bis es endlich zum entscheidenden tödlichen Finale kommt.
O-Ton4, Einspieler „Philoktet“, 29 Sekunden
„Mit rauer Zunge redest du den Gast an / Zu rauer Mahlzeit mit gespanntem Bogen / Den Hungrigen nach langer Meerfahrt lädst du / Ein kurzes Gastbett ist der Bauch der Geier / Laut, der mir lieb war. Sprache längst entbehrt. / Mit der das erste Wort mir aus dem Mund ging / So lang gehasst auch wie entbehrt. Und länger.“
Zur Verfügung gestellt vom StadtRadio Göttingen
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