Shitstorm oder Debatte? Digitalisierung als Diskussionsthema im Jungen Theater
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Jonas Rietschel |
Datum: | |
Dauer: | 04:35 Minuten bisher gehört: 277 |
Manuskript
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Der Begriff "Digitalisierung" ist in aller Munde – und doch fällt es häufig schwer zu erklären, was genau damit eigentlich gemeint ist. Um solche und weitere Fragen zu besprechen, lud der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Motto "Go with the Flow: Digitalisierung nachhaltig und sozial gestalten" drei Gäste ein, um mit ihnen die Vor- und Nachteile der digitalen Welt zu diskutieren. Mit dabei war Christina Domm, stellvertretende Gesamtpersonalratsvorsitzende der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig/Hannover. Sie vertrat vor allem die betriebliche Perspektive und erklärte, dass auf die Digitalisierung der Arbeitswelt nicht zwingend der häufig befürchtete Abbau von Arbeitsplätzen folgt.
O-Ton 1, Christina Domm, 29 Sekunden
"Dass tatsächlich Arbeitsplätze verloren gehen ist bei uns so nicht. Wir können viele Leute anders nutzen. Zum Beispiel: Wir digitalisieren Akten und versuchen auch Papieranträge einzulesen in die Maschine. Und was die Maschine nicht schafft, dafür brauchen wir die Leute, die früher die Akten angelegt haben. Die legen heute keine Akten mehr an, sondern die gucken einfach, dass das was die Maschine erfasst, richtig ist. Also, wir können 'umswitchen'. Aber es werden immer weniger gefragt, die auf diesen einfachen Arbeiten beruhen."
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Doch nicht nur auf die betriebliche Arbeit hat die Digitalisierung einen starken Einfluss – auch in der politischen Welt sind Veränderungen zu spüren. Christopher Schmitz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Göttinger Institut für Demokratieforschung. Seiner Meinung nach lässt sich der Einfluss, den digitale Medien auf den Ausgang von demokratischen Wahlen haben, häufig nur schätzen, aber nicht genau nachweisen.
O-Ton 2, Christopher Schmitz, 32 Sekunden
"Wir denken an den Fall in den USA, wo man davon ausgeht, dass über die gezielte Ansteuerung von einzelnen Accounts durch mehr oder weniger die russische 'Troll-Armee', wie sie genannt wird, oder durch die gezielten Datenlecks bei Facebook Inhalte so zugeschnitten wurden, dass man dadurch Randgruppen oder solche sogenannte 'Kippgruppen' vielleicht dazu motivieren konnte, gerade nicht zur Wahl zu gehen oder genau zur Wahl zu gehen. Was natürlich theoretisch denkbar ist. Die Frage ist, in wie weit das stattgefunden hat."
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Der Einfluss digitaler Medien auf die Politik muss jedoch nicht immer negativ behaftet sein. Für die Netzaktivistin Amina Yousaf eröffnen sich über die Digitalisierung völlig neue Möglichkeiten um politisch etwas zu bewegen. Ihrem Eindruck nach werden die Grenzen zwischen der virtuellen und der realen Welt dadurch immer stärker verwischt und aufgelöst.
O-Ton 3, Amina Yousaf, 30 Sekunden
"Wir haben das im feministischen Diskurs im deutschsprachigen Raum mit dem Hashtag 'Aufschrei' zum Beispiel erleben dürfen, dass dort sehr viel Öffentlichkeit geschaffen wurde für das Thema Alltagssexismus und den Umgang damit. Wir haben seitdem Veränderungen im Strafgesetzbuch, das 'Nein heißt Nein' ist unter anderem umgesetzt. Und es gibt so ganz viele kleine Punkte. Man wird nicht von heute auf morgen die Welt verändern, aber es sind diese kleinen Schritte, die es notwendig machen und auch immer wieder die Kraft geben, weiter zu machen."
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Die Diskussion im Jungen Theater wurde zwischenzeitlich durch die Zwischenrufe eines Zuschauers gestört. Dieser wollte zwar seinem Unmut über die Themen der Debatte Luft machen, verweigerte sich aber einem konstruktiven Gespräch auf Augenhöhe. Yousaf erklärt, dass dieses Phänomen auch bei Diskussionen im Internet häufig zu beobachten ist.
O-Ton 4, Amina Yousaf, 31 Sekunden
"Wir haben es auch heute gemerkt bei dem Teilnehmer, der da war: Als ihm der Raum geboten wurde und gesagt wurde 'Jetzt äußere dich und sag deine Meinung, deine Kritik' kam ja nur, er dürfe ja gar nicht mitdiskutieren. Das ist ganz exemplarisch dafür, wie das auch im Netz funktioniert. Dass dann gesagt wird: 'Naja, hier wird doch alles mundtod gemacht, hier darf ich gar nicht mitdiskutieren.' Und das sind so Momente,wo ich dann sage: 'Naja, okay – eine Diskussion kann halt nur funktionieren, wenn du mit Argumenten kommst und wenn du ohne Argumente da bist, dann wird's schwierig.' "
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Die Meinungen darüber, wo und auf welche Weise unser alltägliches Leben von der Digitalisierung beeinflusst wird, gehen also weit auseinander. Auch nach der Diskussion im Jungen Theater bleibt vieles offen – doch vermutlich liegt gerade darin die Ursache dafür, dass Digitalisierung ein so interessantes und aktuelles Thema ist. Nur von den Grenzen digitaler Möglichkeiten hat Christina Domm eine ziemlich genaue Vorstellung.
O-Ton 5, Christina Domm, 11 Sekunden
"Alles das, was Bezug hat. Und natürlich würde ich auch gerne Personalrat online machen, das kann ich auch für Dienstvereinbarungen. Aber da, wo die Menschen Trost brauchen oder Beistand, kann ich das nicht machen."
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