Angriffe auf JournalistInnen – Die Pressefreiheit endet hier
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Lucie Mohme |
Datum: | |
Dauer: | 04:46 Minuten bisher gehört: 237 |
Manuskript
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Bei der Leipziger Demonstration der „Querdenker“ am 7. November 2020 kam es zu gewalttätigen Übergriffen auf JournalistInnen. Durch diese Angriffe auf überwiegend FotografInnen konnte deren journalistische Arbeit nicht frei ausgeführt werden. Insgesamt gab es nach der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in der Gewerkschaft Verdi allein auf der Demo in Leipzig 43 Übergriffe und Behinderungen auf journalistische Arbeit. Die Gewalttaten sollen mehrheitlich von Gruppen um bekannte Rechtsextreme ausgegangen seien. Ob die Vorkommnisse mit den Entwicklungen der Pandemie zu tun haben könnten, berichtet Christiane Eickmann, Geschäftsführerin des Deutschen Journalisten Verband (DJV) Niedersachsen.
O-Ton 1, Christiane Eickmann, 33 Sekunden
„Ich hab so das Gefühl, jetzt mit Corona hat das nochmal wie so einen neuen Aufschwung bekommen, weil da neben Politikern und Politikerinnen, die Verordnungen erlassen oder versuchen diese Pandemie in den Griff zu bekommen, Medienschaffende da auch ein echtes Feindbild sind, weil sie eben immer weiter über Corona berichten. Und Menschen, die diese Pandemie leugnen oder irgendwie anders diese Pandemie instrumentalisieren für ihre politische Agenda. Da sind Journalistinnen und Journalisten Feindbild Nummer eins, weil die sozusagen das ja immer wieder bestätigen, dass es diese Pandemie doch gibt.“
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Deutschlandweit wurden dem Bundeskriminalamt (BKA) für das Jahr 2018 93 Straf- und Gewalttaten gemeldet, die sich in der sogenannten Kategorie „gegen Medien“ einordnen lassen. Im Jahr 2019 gab es einen Anstieg auf 104 gemeldete Angriffe in diesem Bereich. Dabei seien 15 dieser Taten öffentlichen Versammlungen der rechten Szene zuzuordnen. Die seit Anfang 2015 bis März 2020 gezählten 119 Angriffe, seien in 77 Prozent der Fälle aus dem rechten Milieu und zu neun Prozent aus dem linken. Die restlichen Fälle seien keiner politischen Richtung zuzuordnen. Ein Anstieg der Angriffe ist somit zu verzeichnen. Diese Angriffe bestehen meist aus Beschimpfungen, handgreiflichen Taten wie Schubsen oder Boxen, aber auch Treibjagden, wo JournalistInnen von großen Gruppen verfolgt werden. Tim Mönch, ein Fotograf, geriet auf der Leipziger Demo im November ins Visier. Mönch berichtet seit Jahren von rechten und neonazistischen Veranstaltungen und rekapituliert die Situation auf der Demonstration.
O-Ton 2, Tim Mönch, 37 Sekunden
„Als dieser Mob dann Richtung Hauptbahnhof loszog, wurde ja fast schon gezielt Jagd auf Journalist*innen gemacht. Die wurden vor sich hergetrieben. Währenddessen kam es auch zu einem Übergriff auf mich, wo ich zu Boden ging und nur Glück hatte, dass ich schnell wieder aufstehen konnte und nichts Schlimmeres passiert ist. Das heißt, selbst wenn man in solchen Situationen die Polizei anspricht und sagt: hier, das ist eine sehr gefährliche Situation, das kommt hier alle paar Minuten zu Bedrohungen, passiert nichts. Gerade aus Berichten von Kolleg*innen, die an diesem Tag auch dort gearbeitet haben, sind mir ähnliche Situationen bekannt und die Polizei war scheinbar total überfordert mit der Situation.“
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Die Angriffe der vergangenen Jahre haben außerdem mit dem Aufstieg der AfD, sowie dem Zuwachs an Geflüchteten und dem Stark werden von PEGIDA und LEGIDA in den ostdeutschen Bundesländern zugenommen. In Niedersachsen sind die Meldungen von Angriffen nicht nennenswert, da zum Beispiel die Querdenker sich hier weniger Popularität erfreuen. Auf der ganz sicheren Seite ist Niedersachsen, insbesondere Südniedersachsen dennoch nicht, auch hier ist der Aufstieg der rechten Szene seit den neunziger Jahren deutlich zu vermerken. Es gibt dennoch Vorkehrungen, die zur Vermeidung oder zur Prävention von Angriffen auf JournalistInnen getroffen werden können. Eickmann legt dar, wie sich Betroffene verhalten können.
O-Ton 3, Christiane Eickmann, 31 Sekunden
„Ich weiß, dass die öffentlich rechtlichen Rundfunkanstalten mittlerweile Journalistinnen und Journalisten private Sicherheitsdienste an die Seite stellen, was ich schrecklich finde, was mir aber auch von den Kollegen und den Kolleginnen berichtet wird, dass sie sich durchaus damit sicherer fühlen. In den Niederlanden haben die Kollegen vom öffentlichen rechtlichen Rundfunk begonnen, ihre Logos nicht mehr an ihre Autos zu kleben oder auch an ihre Kameras. Was man auch machen kann, sagen meine Kollegen aus Sachsen, was da tatsächlich schon manchmal hilft, ist wirklich vorher mit der Polizei das Gespräch zu suchen.“
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In Sachsen gibt es sogar eine europäische Journalistenvereinigung, die Training für diese Gefahrensituationen unter anderem auf Demonstrationen anbieten. Der Grund, wieso es überhaupt zu diesen Übergriffen kommt, liegt mutmaßlich an einem Defizit der polizeilichen Ausbildung. Die Polizei sollte mehr über die Rechte der JournalistInnen wissen und wie der bundeseinheitliche Presseausweis aussieht, damit sich nicht DemonstrantInnen unter die Presse mischen können. Bezüglich der Vorkommnisse der Querdenker-Demonstrationen hat der DJV Niedersachsen im November einen Brief an den niedersächsischen Innenminister Pistorius verfasst, um auch auf die fehlende Polizeiausbildung aufmerksam zu machen.
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