Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Ann-Sophie Aue
Datum:
Dauer: 04:39 Minuten bisher gehört: 421
Ratten und Mäuse im Medikamententest, Kaninchen in der Kosmetikbranche – jeder hat die Bilder der traurig ausschauenden Tiere auf engstem Raum im Kopf. Auch der Affe ist ein beliebtes Tier in der Forschung, vor allem wenn es um die Funktionen des Gehirns, Organspenden oder auch aktuell um die Suche nach Covid-19-Therapien geht. Im Deutschen Primatenzentrum in Göttingen wurden nun zehn Weißbüschelaffen eingeschläfert. Ob dies aus triftigen Gründen oder grundlos geschah ist noch unklar. Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat Ermittlungen aufgenommen. Ann-Sophie Aue hat nachgeforscht.

Manuskript

Text

Im Deutschen Primatenzentrum Göttingen werden über eintausend nicht-menschliche Primaten gehalten. Sie dienen der grundlegenden biologischen und biomedizinischen Forschung, vor allem, wenn es um Fragen über die Funktionsweisen des Organismus und soziales Verhaltens geht. Die Herausforderung in der Forschung besteht darin, Tierwohl, Tierschutz und Tierversuch zu vereinen. Der Direktor des Primatenzentrum und Leiter der Abteilung Kognitive Neurowissenschaften Stefan Treue betont daher den verantwortungsbewussten Umgang mit den Tieren.

 

O-Ton 1, Stefan Treue, 38 Sekunden

Wir haben einerseits die Verantwortung mit den Tieren bestmöglich umzugehen, das Tierwohl im Auge zu behalten, professionell zu arbeiten, mit den besten Methoden und die andere Seite der Verantwortung ist, dass die Forschung, die mit den Tieren gemacht wird unserer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft entspricht. Also zum Beispiel die Verantwortung, dass wir eine Aufgabe haben, Krankheiten besser zu verstehen oder grundsätzliche physiologische Mechanismen bei Tieren und Menschen aufzuklären, um langfristig dann vielleicht auch Therapien entwickeln zu können. Also das gehört zu den beiden Teilen der Verantwortung, die man in einem Tierversuch trägt.“

 

Text

Für Tierversuche werden am Deutschen Primatenzentrum unter anderem Weißbüschelaffen genutzt. Weißbüschelaffen haben ihren Ursprung in Südamerika und leben überwiegend in Brasilien. Hier in Göttingen werden sie beispielsweise in der Forschung über Stammzellen und genetische Veränderungen eingesetzt. Zehn Weißbüschelaffen sind nun in Folge eines Tierversuchs am Primatenzentrum eingeschläfert worden. Einschläferungen sind nach Tierversuchen nicht unüblich. Doch in diesem Fall hat zunächst die Staatsanwaltschaft Göttingen und anschließend die Tierschutzorganisation PETA Ermittlungen eingeleitet. Oberstaatsanwalt Frank-Michael Laue erklärt, wie es zu den Ermittlungen kam.

 

O-Ton 2, Frank-Michael Laue, 35 Sekunden

Aufgrund eines Hinweises des Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, LAVES genannt, sind uns Verwaltungsvorgänge übersandt worden, zu den Tierversuchen im Deutschen Primatenzentrum. Dazu muss man wissen, dass Tierversuche dort zunächst einmal genehmigt werden müssen und nach Abschluss dieser Versuche dann auch die Versuchsunterlagen an das LAVES zurückgesandt werden und dort überprüft werden. Und die Überprüfung dieser Vorgänge ergab den Verdacht, dass also zehn von diesen Weißbüschelaffen getötet wurden, obwohl tatsächlich kein tiermedizinischer oder sonstiger Grund für diese Tötung vorlag.“

 

Text

Die Staatsanwaltschaft hat die Unterlagen ausgewertet. Dabei kam der Verdacht auf, dass sich eine leitende Tierärztin und fünf weitere Mitarbeiter des Primatenzentrums wegen eines Verstoßes gegen Paragraph siebzehn des Tierschutzgesetzes strafbar gemacht haben könnten. Ein Durchsuchungsbeschluss folgte. Anlässlich der Durchsuchung sind Unterlagen sichergestellt worden, die aktuell ausgewertet werden, um zu prüfen, ob an den Tatbeständen etwas dran ist, so Laue. Um den Ermittlungen mehr Nachdruck zu verleihen, hat nun auch die Tierschutzorganisation PETA Strafanzeige erhoben. Das öffentliche Interesse ist sehr hoch an diesem Fall, betont die Fachreferentin im Bereich Tierversuche Anne Meinert. Leider ist es immer noch so, dass die Interessen von Tieren nicht den hohen Stellenwert haben, den sie haben sollten und deshalb hofft Meinert, dass das Primatenzentrum zur Rechenschaft gezogen wird.

 

O-Ton 3, Anne Meinert , 22 Sekunden

Das Höchststrafmaß wären bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder eben eine Geldstrafe. Leider ist in der Vergangenheit immer wieder deutlich geworden, dass Verstöße in Laboren keine oder kaum juristische Folgen haben und wir hoffen, dass es in diesem Fall nun eine volle Ausschöpfung des Strafmaßes geben wird.“

 

Text

Zu den laufenden Ermittlungen äußert sich das Deutsche Primatenzentrum nicht. Bisher wird nur der verantwortungsbewusste Umgang mit den Tieren betont. Dennoch ist eine kooperative Arbeit aller Beteiligten festzustellen, sodass hoffentlich eine schnellstmögliche Aufklärung gelingen kann. Diese Aufklärung wird allerdings noch Monate auf sich warten lassen.