Versalzung der Werra: Wie steht es um die Fische?
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Paula Baierlein |
Datum: | |
Dauer: | 05:50 Minuten bisher gehört: 229 |
Manuskript
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„In Witzenhausen kann man das Meer riechen.“ Das stimmt nicht ganz, das Meer ist es nicht, was man riecht. Aber der Geruch von Salz ist es schon, der an manchen Tagen in der Luft liegt. Mitten in Deutschland, es sind 320 Kilometer bis zur Nordsee, wird Salzabwasser in die Werra eingeleitet.
O-Ton 1, Ronald Schminke, 11 Sekunden
„In der Werra sind nur noch elf Fischarten, das ist Mittelwert, elf Fischarten vorhanden. In der Weser, immerhin noch 22.“
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Ronald Schminke ist Vorsitzender der Fischereigenossenschaft Münden. Der Salzgehalt der Werra und der Weser ist ihm ein Anliegen. Er hat in seinem Wohnzimmer bereits Demoplakate geschrieben und im Keller hat er einen Sarg stehen, den er zu Demos heraus holt. Darauf geschrieben steht: „Hier liegt die Weser begraben“. 35.000 Euro investiert die Fischereigenossenschaft jährlich in den Fischbesatz, der in der Weser ausgebracht wird. Manche dieser Fische zeigen später, wenn sie gefangen werden, Nekrosen, das sind Hautveränderungen, Wunden, die nicht heilen. Er zitiert gerne aus dem Bericht des niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmitttelsicherheit, dem „LAVES“.
O-Ton 2, Ronald Schminke, 35 Sekunden
„Das sind Fischbestandserfassungen in der Oberweser und Werra. Aus dem Jahr 2022 ist der Letzte. Und da sieht man ganz genau die Ergebnisse, nämlich dass dort 11,3 Prozent der Fische schwer geschädigt sind. An der Oberweser immer noch 4,1, was auch schon hoher Wert ist. Und das Fazit der ganzen Geschichte ist, dass die Fische dort Nekrosen haben. Also das ist totes Gewebe, das ist abgestorbenes Gewebe. Und das alles ist durch das Salz hervorgerufen.“
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Das LAVES findet in seinem Bericht nicht ganz so klare Worte. Die Verfasser*innen der Studie sprechen lediglich von „können“, dass „derzeit auftretenden Ionenkonzentrationen negative Effekte auf den Gesundheitszustand und den Reproduktionserfolg von Süßwasserfischen haben können“.
Das Salz, das kommt durch die Kaliindustrie in die Werra und Weser. K plus S, Kali plus Salz, ist ein Bergbauunternehmen. In riesigen Stollen unter Tage werden bei Kassel Kalisalze gefördert. Diese Salze finden später Anwendung in der Landwirtschaft, in der Textil- und in der Pharmaindustrie. Aus ihnen werden Dünger, Kunststoffe und Arzneimittel hergestellt. Bis Ende 2027 hat K+S eine Einleitungsgenehmigung für Salzabwässer in die Werra. Die Menge ist gekoppelt an den Pegel der Werra. K+S darf einen Grenzwert von 1.820 mg/l nicht überschreiten.
Eckart Coring ist Gewässerökologe. Er kennt nicht nur die Grenzwerte auf dem Papier, sondern auch die realen Werte in der Werra und Weser. Seit 30 Jahren hat er Messstationen an der Weser und der Werra. Dort misst er die Wassertemperatur den Sauerstoffgehalt und die Salinität, oder, vereinfachend: den Salzgehalt. Er betrachtet die Situation nüchterner:
O-Ton 3, Eckart Coring, 25 Sekunden
„Früher war es durchaus so, dass die Salzbelastung der alles über-prägende Faktor war, weil die Salzbelastung so extrem war. Mittlerweile ist die Salzbelastung so weit runtergegangen, dass die Salzbelastung immer noch wirksam ist, aber nicht mehr nur noch der einzige Güte-bestimmende Zustand ist im System. Sondern da spielen eben andere Dinge wie Nährstoffe und so weiter, weiterhin auch noch eine Rolle.“
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Coring verweist damit auch auf Maßnahmen an, die K+S bereits ergriffen hat, um die Salzbelastungen zu reduzieren. Wie der MDR berichtete, gab es Zeiten, da wuchsen Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen in Thüringen und Hessen, die sonst nur in Meernähe zu finden sind. Zurückführen lies sich dies auf Verpressungen von Salzabwässern in Gesteinsschichten, die am Ende doch nicht so dicht waren, wie gedacht. Mittlerweile finden Verpressungen nicht mehr statt. Auch die Salzabwassermengen, die in die Werra eingeleitet werden, hat K+S bereits reduziert. Ende 2028 soll komplett Schluss sein mit der Einleitung von Salzabwässern in die Werra, zumindest mit den hochkonzentrierten Produktionsabwässern. Ab dann sollen nur noch die geringer konzentrierten Haldenabwässer in die Werra und Weser gelangen. Bis die Weser und Werra wieder naturnahe Zustände erreicht haben, wird noch viel Zeit vergehen. Coring erklärt:
O-Ton 4, Eckart Coring, 32 Sekunden
„Das hängt auch damit zusammen. Wir haben 120 Jahre, ein System, das 120 Jahre belastet ist. Wir haben diese Haldenwässer, die noch sehr, sehr lange da sein werden. Und sie haben diffuse Zutritte von Salzlaugen aus dem Untergrund in den Fluss. Auf absehbare Zeit und absehbare Zeit heißt mehrere Jahrhunderte wird die Werra und damit auch die Weser nicht salzfrei werden. Das wird nicht passieren.“
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Ab 2028 will K+S keine Produktionsabwässer mehr in die Werra einleiten. Bis dahin fließen jährlich mehrere Millionen Kubikmeter Salzabwasser die Weser hinunter. Wenn man am Ufer der Werra steht und der Geruch nach Salzwasser einem in die Nase steigt, kann man sich gut den Kopf zerbrechen. Über Umweltschutz, was das bedeutet und wie viel dieser wert ist.
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