Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Emilia Kröger
Datum:
Dauer: 03:55 Minuten bisher gehört: 515
Die Wissenschaft erlebbar machen. Das hat sich das Bundesministerium für Bildung und Forschung zum Ziel gesetzt. Eigens dafür wird jedes Jahr unter einem neuen Motto das Wissenschaftsjahr eingeläutet. In diesem Jahr steht die Künstliche Intelligenz im Mittelpunkt. Dabei geht es um die selbstlernenden Technologien, die immer mehr in unseren Alltag eindringen. Die Algorithmen und Datenmengen erschließen sich jedoch nur den wenigsten Menschen. Um über künstliche Intelligenz nachzudenken, braucht es jedoch kein technisches Verständnis der Software. Auch aus gesellschaftlicher Sicht wird durch KI eine neue Frage aufgeworfen: Was bedeutet es für die Beziehung von Mensch und Technik, wenn Computer so denken können wie wir? Diese Frage war auch Thema des KI Science Film Festivals in Karlsruhe. Aus 13 verschiedenen Ländern kamen Filmemacher zusammen, die Werke über Künstliche Intelligenz eingereicht hatten. Mit dabei waren auch zwei Studenten der Visuellen Anthropologie aus Göttingen. Janek Totaro und Johannes Kohout gewannen mit ihrem Film „Autonome Artefakte“ den Publikumspreis. Worum es in ihrem Film geht, erfahren Sie in einem Beitrag von Emilia Kröger.

Manuskript

Text

Künstliche Intelligenz – das ist weit mehr als das Phänomen der sprechenden Roboter. Wissenschaftlern geht es bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz darum, Systeme zu entwickeln, die selbstständig lernen können, um dadurch komplexe Probleme zu lösen. Hinter den komplizierten Algorithmen stecken jedoch zumeist menschliche Vorbilder. Das ist der Ausgangspunkt für Johannes Kohout und Janek Totaro. In ihrem Film „Autonome Artefakte“ wollen sie untersuchen, ob es in der technischen Entwicklung eine Tendenz gibt, Technologien immer menschlicher zu gestalten. Was würde das für den Menschen im Verhältnis zur Technik bedeuten? Die beiden Studenten aus Göttingen haben sich schon länger mit der anthropologischen Forschung zu diesem Thema beschäftigt. Ganz besonders inspirierend war dabei der Schweizer Philosoph und Physiker Eduard Kaeser. Kohout erklärt, dass der Titel des Film auf einer These des Wissenschaftlers beruht.

 

O-Ton 1, Johannes Kohout, 22 Sekunden

Die besagt, dass die Geräte um uns herum immer mehr ein Eigenleben entwickeln. Er sieht das halt vor allem darin, dass wir nicht mehr ganz verstehen, wie diese Geräte eigentlich funktionieren, aber wir interagieren trotzdem die ganze Zeit mit ihnen. Und er benennt dann diese Artefakte eben ‚Autonome Artefakte‘, weil sie so eine gewisse Selbstständigkeit bekommen.“

 

Text

Als visuelle Anthropologen interessieren sich Kohout und Totaro dabei für eine multiperspektivische Blickweise auf das Thema. Sie führten Interviews mit Philosophen, Informatikern und Technikenthusiasten. Der Fokus lag jedoch klar auf der geisteswissenschaftlichen Perspektive. Für Totaro lieferte der Film am Ende des Arbeitsprozesses zwei Erkenntnisse über das Spannungsfeld zwischen Mensch und Technik:

 

O-Ton 2, Janek Totaro, 32 Sekunden

Einerseits, dass Technik jetzt die Eigenschaft hat, auf menschlichen oder anthropomorphen Kanälen mit Menschen zu interagieren. Das heißt, sie kann Dinge simulieren, die es uns Menschen einfacher erscheinen lässt, emphatisch oder sozial mit dem Gerät irgendwie umzugehen. Und andererseits heißt das auch, dass gerade die Forschung an der Technik oder der künstlichen Intelligenz auch Erklärungsmodelle liefert, wie zum Beispiel menschliche Wahrnehmung funktionieren soll. Weil wenn man es irgendwie technisch nachbildet und es funktioniert, dann kann man ja auch den Rückschluss ziehen: Beim Menschen ist es genauso.“

 

Text

Um künstliche Intelligenz beispielsweise für medizinische Diagnosen zu nutzen, orientieren sich Informatiker an den neuronalen Prozessen des menschlichen Gehirns. Um zu definieren, was genau die künstliche Intelligenz dabei ausmacht, muss im Vorfeld jedoch feststehen, was denn eigentlich Intelligenz ausmacht. Dabei gibt es keine einheitliche Definition und Informatiker benutzen den Begriff der Intelligenz in anderen Zusammenhängen als Philosophen. Solche Überlegungen in einem Dokumentarfilm zu verhandeln, scheint keine einfache Aufgabe. Für ihren Arbeitsprozess setzten Kohout und Totaro nicht auf ein feststehendes Skript. Viel eher haben sie versucht, Anstöße, die während der Dreharbeiten kamen, miteinzubeziehen. Dazu Kohout:

 

O-Ton 3, Johannes Kohout, 31 Sekunden

Also wir haben ungefähr ein Jahr gebraucht, um das Material in seiner Gänze zusammenzutragen. Es war eigentlich auch immer abwechselnd, dass wir an bestimmten Orten vorrangig wegen szenischem Material waren und eben dazwischen auch immer Interviews geführt haben, entweder vor Ort spontan oder eben mit ausgewählten Experten zu bestimmten Themen. Und so haben sich auch Fragen und Schwerpunkte des Films auch immer wieder verschoben während des Arbeitsprozesses.“

Text

Mit dieser eher unkonventionellen Arbeitsweise haben die jungen Filmemacher sich bereits selbstständig gemacht. Ihre Video- und Filmagentur sitzt in Göttingen und heißt Akinema. Kohout und Totaro wollen sich als visuelle Anthropologen weiter mit Wissenschaft, Forschung und modernen Technologien auseinandersetzen.