Die Skandinavistik bleibt erhalten – aber zu welchem Preis?
Sendung: | Mittendrin Redaktion |
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AutorIn: | Johanna Spering |
Datum: | |
Dauer: | 05:44 Minuten bisher gehört: 583 |
Manuskript
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Die Studierenden haben sich in der Innenstadt versammelt, um gegen die drohende Schließung des Skandinavischen Seminars an der Georg-August Universität Göttingen zu protestieren. In den Händen halten sie Schilder mit provokanten und fordernden Aufschriften: „Göttingen – Die Stadt die Wissen (ab)schafft“ und „Vielfalt statt Sparstunde.“ Damit wollen die Studierenden gegen die harten Sparmaßnahmen des Landes und der Universität vorgehen. Sie fordern den Erhalt von kleinen Fächern, sodass die fachliche Diversität an der Universität weiterhin garantiert werden kann. Der Dekan der Philosophischen Fakultät, Frank Rexroth, erzählt über die Hintergründe der drohenden Schließung und welche Gründe es für die Sparmaßnahmen gibt:
O-Ton 1, Frank Rexroth, 32 Sekunden
„Unsere Fakultät befindet sich ohnehin schon in einer finanziell nicht so einfachen Situation. Was nun dazu gekommen ist, eine sehr massive Minderzuweisung durch das Land an die Universitäten des Landes. Das hat natürlich was mit Corona zu tun, aber nicht nur mit Corona. Es kam weniger Geld bei der Universität an und wenn das so ist, dann kann die Universität auch an die Fakultäten weniger Geld weiter verweisen.“
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Wie in allen Bereichen der Gesellschaft hat die Corona-Pandemie mit ihren finanziellen Folgen auch vor dem Wissenschaftssektor nicht halt gemacht. Sie hat erheblich dazu beigetragen, dass die Universitäten mit den pauschalen Sparauflagen des Landes zu kämpfen haben. Insbesondere in Niedersachsen fiel die Kappung der Wissenschaftsbudgets größer aus als in anderen Bundesländern:
O-Ton 2, Frank Rexroth, 20 Sekunden
„Schon vor einem Jahr als der Finanzminister sagte: ‚Wir rechnen mit Mindereinnahmen an Steuern von sieben Milliarden‘ und sagte, dass kein Ressort davon verschont bleiben wird. Es war ja irgendwie klar, dass die Universitäten, nicht nur Göttingen, alle Universitäten des Landes, mit massiven Kürzungen zu rechnen haben.“
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An allen Ecken und Enden scheint es an finanziellen Mitteln zu mangeln. Die Personalkosten schlagen laut Rexroth am massivsten zu Buche, Stellen werden durch fehlende Gelder dann am ehesten gestrichen. Es fließen allerdings noch andere Maßnahmen in den Entscheidungsprozess der jeweiligen Gremien mit ein, um den Sparauflagen nachzukommen:
O-Ton 3, Frank Rexroth, 21 Sekunden
„Sie können auch in anderen Budgets kürzen, sie können sagen wir kürzen die Exkursionsmittel oder wir kürzen die Mittel für Verbrauchsmaterialien oder so. Aber da kommt natürlich eine Sparsumme von dem Umfang, den wir anstreben müssen, nicht zusammen. Sodass es um Personal gehen wird.“
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Die Sparauflagen betreffen natürlich alle Fachbereiche der Universität. Die Verteilung der gekürzten Mittel muss auf die Fächer angepasst werden. Dabei müsse laut Rexroth auch auf eine gerechte Vergabe geachtet werden:
O-Ton 4, Frank Rexroth, 37 Sekunden
„Die Bedarfe sind sehr unterschiedlich. Sie haben es mit Fächern zu tun, die unglaublich stark ausgelastet sind. Wo also die Auslastung nach unserem Koeffizienten über 100 Prozent liegt und Fächer, die nicht so stark ausgelastet sind. Aber das ist nicht der einzige Aspekt, der dabei zu bedenken ist. Es gibt auch den Aspekt: Gibt es dieses Fach anderswo auch noch, zum Beispiel in Niedersachsen? Eine Germanistik gibt es anderswo auch, aber eine Turkologie eben nicht. Das ist dann auch ein Faktor, der zu berücksichtigen ist dabei, wo gespart wird.“
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Die unterschiedlichen Voraussetzungen und Bedürfnisse einzelner Fächer können zu einer Art Wettbewerb oder besser gesagt einer Dilemma-Situation zwischen den kleinen und großen Fächern führen, so Rexroth. In den Entscheidungsgremien muss festgelegt werden, wie die Mittel gerecht verteilt werden und nach welchen Kriterien dabei entschieden werden muss, um nicht zu einseitig vorzugehen:
O-Ton 5, Frank Rexroth, 34 Sekunden
„Sie können natürlich sagen, wir wollen unbedingt alle kleinen, seltenen Fächer halten und nehmen unsere Einsparungen dann bei den großen Fächern. Sie provozieren aber natürlich einen Aufschrei und provozieren das verletzte Gerechtigkeitsgefühl, weil die Vertreter dieser Fächer dann sagen ‚Wie kommt es denn? Ich kann mich vor Studierenden kaum retten und ich verbringe meine ganzen Wochen damit Qualifikationsarbeiten zu korrigieren und das ist anderswo nicht so. Warum soll ich jetzt eine Stelle hergeben?‘“
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Die Philosophische Fakultät zeichnet sich besonders durch ihre große Fächervielfalt aus: Neben der Skandinavistik gehören unter anderem auch Germanistik und Geschichte sowie Turkologie zum Angebot der Fakultät. Dabei sind viele kleine Fächer nur mit einer Professur besetzt. Sollte es also zu Streichungen kommen, würde das ein Ende für das jeweilige Fach bedeuten. Es gab nun aber Neuigkeiten, die die Studierenden aufatmen ließen: Die Skandinavistik bleibt erhalten - zumindest vorerst. Rexroth sieht die Zukunft des Skandinavischen Seminars zunächst gesichert:
O-Ton 6, Frank Rexroth, 22 Sekunden
„Für die Skandinavistik würde ich jetzt eigentlich sagen, dass das Wesentliche bleibt. Nicht so schön ist und das bedauere ich wirklich sehr, dass die Juniorprofessur, die dort angebunden war, nicht mehr neu vergeben werden wird. Die ist jetzt noch besetzt, aber sie wird nicht neu vergeben werden.“
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In einer schriftlichen Stellungnahme hat das niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur den Erhalt der Skandinavistik ausdrücklich begrüßt und betont, dass insbesondere „kleine Fächer“ wie die Skandinavistik besonders schützenswert seien. Einige Studiengänge der Philosophischen Fakultät, wie beispielsweise die Turkulogie, Skandinavistik und auch Ägyptologie, sind in ganz Niedersachsen in dieser Form nur in Göttingen zu studieren. Sie stellen somit ein besonderes Alleinstellungsmerkmal dar.
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