Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Nikita Makarov
Datum:
Dauer: 04:40 Minuten bisher gehört: 238
In Göttingen wird wieder gestreikt. Die Mitarbeitenden der UMG Klinikservice GmbH, die durch die Gewerkschaft Ver.di vertreten wird, haben für drei Tage – Mittwoch bis Freitag – ihre Arbeit niedergelegt. Sie fordern 20 Prozent mehr Lohn und die Aufnahme in die Tarifverträge des Landes Niedersachsen. Verhandlungen mit dem Arbeitgeber sind bislang erfolglos ausgegangen. Deswegen gab es heute einen Streikzug, der von der UMG bis zur Innenstadt ging. Unser Reporter Nikita Makarov war vor Ort und berichtet mehr über den Streik.

Der Demozug führte auch durch die Groner Straße (Bild: Jennifer Bullert)

Manuskript

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Mit lauten Pfeifen, Tröten und Ratschen ziehen die Mitarbeitenden der UMG Klinikservice GmbH (KSG) vom Gebäude der UMG über den Campus der Uni Göttingen, bis hin zur Göttinger Innenstadt. Ihre Forderung: Mehr Lohn und die Aufnahme in die Tarifverträge des Landes Niedersachsen, den TV-L. Alle Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber sind bislang erfolglos verlaufen. Ver.di-Gewerkschaftssekretär Thilo Jahn führt aus, welche Erwartungen er an den Streik ansetzt:


O-Ton 1, Thilo Jahn, 37 Sekunden

Wir erhoffen uns vom heutigen Tag eins: Beim Arbeitgeber, dass er die Kolleginnen und Kollegen besser behandelt und ihnen eine Lohnerhöhung gewährt, die den Lebensstandart sichert und nicht zu einer weiteren Absenkung der Lebensqualität führt. Die Ergebnisse der Verhandlungen sind, dass der Arbeitgeber immer neue Angebote vorlegt, aber insgesamt das Volumen der Entgelterhöhung nicht erhöht. Jetzt, das letzte Angebot lautete zwölf Prozent über einen Zeitraum von vier Jahren, plus drei mal 500 Euro Einmalzahlung. Das Angebot reicht nicht, um auch nur die Inflation auszugleichen.“


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Die KSG hatte allerdings nun in einer Mitteilung verlauten lassen, dass das letzte Angebot der Arbeitgeberseite vom 16. Januar eine Steigerung des Netto-Lohns von 20 Prozent über drei Jahre beinhaltet habe. Das wäre ein Entgegenkommen zu den Forderungen der Gewerkschaft, die eben 20 Prozent mehr Lohn gefordert hatte. Nichtsdestotrotz waren am Mittwoch morgen ca. 200 Beschäftigte für den Streik auf der Straße. Eine Streikende ist Marika Lühr. Sie beklagt vor allem die mangelnde Wertschätzung:


O-Ton 2, Marika Lühr, 16 Sekunden

Weil ich denke, dass wir keine einfachen Gebäudereiniger sind, sondern mehr als das. Wir machen Krankenhaushygiene und haben enorme Verantwortung. Also ich finde, wir werden immer mehr in den Billiglohn-Sektor rein gedrückt und das sind wir nicht. Also, wir haben in der Pandemie verdammt viele, gute Sachen geleistet.“


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Stichwort Corona: Die vergangenen drei Jahre waren gezeichnet durch Krisen und unerwartete Ereignisse. Die Pandemie bestimmte bis 2022 unseren Alltag, dann kamen der Ukraine-Krieg, die Energiepreissteigerung und die Inflation hinzu. Christina Vicente, ebenfalls Mitarbeiterin bei der KSG, führt den Unterschied von damals zu heute aus und unterstreicht, welche Herausforderungen sie als Alleinstehende zu bewältigen hat:


O-Ton 3, Christina Vicente, 26 Sekunden

Bei mir, weil ich halt wie gesagt seit fünf Jahren jetzt alleinstehend bin. Als Taschengeld war das hier bei der Uni immer ein ganz toller Job, aber für Alleinstehende reicht es halt einfach nicht, vor allem halt auch Alleinstehende mit Kindern. Also mein Geld, das hier an der Uni verdiene reicht für meine Ausgaben, die ich habe, für Miete, Strom, Versicherungen und so weiter. Mein Mini-Job macht das möglich, dass ich mir auch mal eine Jeans kaufen kann oder mal was leisten.“


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Gerade im Bereich der Gesundheitsversorgung kommt ein entscheidender Punkt zu den ganzen genannten Krisen hinzu: Es mangelt hinten und vorne an Personal. Das ist ein weiterer Faktor, der die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der KSG auf die Straße treibt. Stefanie Mitbauer beklagt die Folgen und Auswirkungen von zu wenig Personal:


O-Ton 4, Stefanie Mitbauer, 37 Sekunden

Na ja, wir müssen mit zwei, drei Leuten eine ganze Intensivstation reinigen, mit allem was dazu gehört. Das ist einfach viel zu viel Arbeit. Also, wir merken das, dass wir nach einer Halbtagsschicht genauso kaputt sind wie vorher von anderen Vollzeitjobs. Und das kann alles nicht angehen. In Zahlen sehen wir, dass ein Drittel des Teams arbeitet vom geplanten Dienstplan, oder so. Wir haben 50 offene Vollzeitstellen im Haus. Es bleiben nur die wenigsten Leute, die bei uns neu anfangen. Die meisten gehen tatsächlich wieder, weil es so anstrengend und stressig ist. Und da müssen einfach bessere Anreize daher, dass die Leute das trotzdem noch weiter machen.“


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Ob es durch den Streik gelingt, den Mitarbeitenden tatsächlich zu den gewünschten Ergebnissen zu kommen, bleibt abzuwarten. Am Donnerstag und am Freitag kommt es in der Göttinger Musa zur Streikkonferenz. Dort sollen die nächsten Schritte im Streik besprochen werden. Der Streikzug durch Göttingen wurde gegen 11 Uhr in der Groner Tor Straße beendet. Dort hatte die Gewerkschaft Getränke und Essen für die Streikenden vorbereitet. Schließlich geht so ein Streik an niemanden spurlos vorbei.