Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Felix Heipke
Datum:
Dauer: 05:33 Minuten bisher gehört: 349
Schon wieder Streik. Nach der GDL und den Bauern geht es weiter. Nun hatte der Marburger Bund die Ärzte der Medizinischen Hochschule Hannover und der Universitätsmedizin Göttingen zum Streik aufgerufen. Nachdem es nach der vierten Verhandlungsrunde zu keiner Einigung mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) gekommen ist, fand gestern also der nächste große Streik statt. Felix Heipke war vor Ort und ist mit den Demonstrierenden ins Gespräch gekommen.

Manuskript

Text
„Warum wohnt Mama in der Klinik?“ „Stand der Dinge, Augenringe.“ „Ich mache das hier auch für deine Oma.“ Solche Sätze waren am Montag auf Schildern bei der Demonstration der Universitäts-Ärzte erst am Bahnhof und später am Marktplatz zu sehen. Der Marburger Bund hatte Ärzte aus 23 Universitätskliniken aufgerufen, ihre Arbeit niederzulegen. Das betraf auch die Universitätsmedizin Göttingen und die Medizinische Hochschule Hannover. Nachdem im Januar bereits eine Demonstration in der Landeshauptstadt stattgefunden hatte, wurde am Montag in Göttingen demonstriert. Doch nun fragen sich einige unter Ihnen bestimmt: „Warum streiken die Ärzte überhaupt. Verdienen die nicht schon genug Geld?“ Eine Demonstrantin äußerte sich zu den Gründen für ihren Streik.

O-Ton, Demonstrantin, 42 Sekunden
„Weil das unfair ist, dass die Uni-Ärzte weniger bekommen, obwohl wir eigentlich mehr arbeiten. Wir haben eigentlich eine Dreifach-Belastung. Wenn man so möchte machen wir die Klinik und davon sind die Patienten eben auch viel komplexer, d.h. wenn die kleinen Kliniken, die Patienten zu uns verlegen, dann weil sie im Prinzip ihre Kapazitäten übersteigen. Dann ist es auch noch die Lehre, die wir machen, die auch on Top kommt. Dafür werden wir nicht freigestellt oder so. Das habe ich dann noch im Stationsalltag mit dazu, d.h. nicht nur zu dem komplexen Patienten darf ich dazu dann auch noch die Studenten bespaßen, inkl. Seminare halten und die Prüfungen machen. Und als Drittes wird von einem universitären Mediziner ja auch erwartet, dass man forscht. Das darf ich dann auch noch in meiner Freizeit machen und insgesamt für weniger Geld. Also das ist unfair.“

Text
Die Forderungen des Marburger Bundes sind höhere Zuschläge für Regelarbeit in der Nacht, an Wochenenden und an Feiertagen. Zudem wird aufgrund der Preissteigerung eine lineare Gehaltserhöhung von 12,5% bezogen auf ein Jahr gefordert. Mittlerweile sind die Verhandlungspartner schon in der vierten Verhandlungsrunde gewesen und es gab noch keinen Kompromiss. Die Verhandlungen werden also weiter gehen. Einige Demonstrierende äußerten sich dazu, was aus ihrer Sicht nötig sei für einen Kompromiss.

O-Ton Demonstranten 2, 12 Sekunden
„Vor allen Dingen muss sich die Arbeitgeberseite bewegen. Da ist bisher überhaupt noch keine Verhandlungsbereitschaft gezeigt worden und da würden wir uns über ein entgegenkommen von deren Seite sehr freuen.“
„Ich würde sagen ein Verhandlungsfähiges Angebot. Dann kommen wir vorwärts.“

Text
Auch der zweite Vorsitzende des Marburger Bundes, Andreas Hammerschmidt, äußerte sich zu den Verhandlungen.

O-Ton, Andreas Hammerschmidt, 32 Sekunden

„Wir waren bereits in den letzten vier Verhandlungsrunden Kompromissbereit, die TdL hat sich kein Zentimeter bewegt. Also an uns hat es nicht gelegen und jetzt liegt es an der TdL uns ein vernünftiges Angebot zu machen. Es ist immer noch so, dass wir 2 Stunden weniger pro Woche schon an Soll-Arbeitszeit weniger arbeiten als die in den kommunalen Trägern. Also bei den kommunalen Krankenhäusern und dazu in Relation 300-600 Euro weniger verdienen. Und das ist nicht in Ordnung. Wir wollen einfach vernünftige Bedingungen, wir wollen gleiche Bedingungen, wir wollen endlich, dass sich da was bewegt. Und wenn die TdL sich nicht einsichtig zeigt kommen wir auch wieder.“
 

 

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Die Demonstration hatte um 12 Uhr am Bahnhof in Göttingen begonnen. Daraufhin zog ein Protestzug zum Marktplatz, wo dann ab ca. 13 Uhr die Kundgebung stattgefunden hatte. Die Demonstration hatte einige Besonderheiten. So wollten die Demonstranten nicht nur gegen etwas sein, sondern auch die vorbeigehenden Passanten aufklären. Aus diesem Grund konnte man vor Ort unter professioneller Anleitung sein Wissen über Herzdruckmassagen auffrischen. Den Grund dafür hören Sie hier:

O-Ton Herzdruckmassage, 14 Sekunden
„Weil wir natürlich nicht nur zeigen wollen, was wir in unserer Haupttätigkeit machen, sondern was wir noch neben der Arbeit machen und das wollen wir natürlich gerne mit einer nützlichen Aktion machen. Nämlich das wir Leute anleiten wie Herzdruckmassage geht und was man da zu tun hat. Prüfen, Rufen, Drücken“

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Ebenfalls eingeladen und vor Ort war das Norddeutsche Knochenmark- und Stammzellenspender-Register (NKR). Das ist eine der größten überregionalen Spenderdateien in Deutschland. Ihr Ziel ist es, mithilfe von passenden Stammzellenspendern Blutkrebspatienten eine Chance für ein gesundes Leben zu geben. Ein Vertreter des NKR ergänzte, wieso der Streik auch informieren soll:

O-Ton NKR, 30 Sekunden
„Wir typisieren damit wir im Kampf gegen den Blutkrebs möglichst viele finden, die ein möglicher genetischer Zwilling sein können, weil häufig eine Typisierung und dann die guten Ergebnisse, die man dann hatte, weil es eine große Übereinstimmung in den Blutwerten dann gibt, die letzte Chance manchmal für Leukämie erkrankte sind. Und der Marburger Bund, der ja heute Streikt, hat gesagt: „Wir wollen eben nicht nur gegen etwas streiken, sondern wir wollen auch für etwas sein“ und deswegen haben sie uns gebeten diese Kundgebung zu unterstützen mit einem positiven Angebot.

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Es haben also wieder eine Vielzahl an Ärzten demonstriert. Man hat den Demonstrierenden ihre Unzufriedenheit deutlich angemerkt. Sie machten mit Musik, Trillerpfeifen und orangenen Warnwesten auf sich aufmerksam. In den Reden kam die Unzufriedenheit auch deutlich zum Ausdruck. Und dennoch sieht es noch nicht so aus, dass bald eine Lösung zu Stande kommt. Auch wenn die Kliniken in einer Art Notbetrieb weiter geführt werden konnten und die Versorgung aller Notfallpatienten gewährleistet wurde, gab es Einschränkungen im Klinikalltag. Könnte es also in der nächsten Zeit zu weiteren Streiks und Demonstrationen kommen? Demonstrierende äußerten sich wie folgt:

O-Ton, Demonstranten 3, 16 Sekunden
„Ich hoffe wirklich nicht, aber wir werden jetzt nicht zurück gehen auf den Zustand vor unseren Forderungen.“
„Ich würde das gar nicht wünschen, ich möchte eigentlich gerne heute ganz normal arbeiten, aber ich glaube schon, dass mit der aktuellen Antwort der Länder, man geht nicht davon aus, dass wir zuletzt Streiken.“

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Die Universitäts-Ärzte streiken und eine Lösung ist noch nicht in Sicht. Es ist durchaus möglich, dass es nach den nächsten Verhandlungen wieder zu Streiks kommen wird. In anderen Bundesländern gab es die gleichen Streiks. Es ist möglich, dass sich Patienten in Zukunft auch noch öfter auf längere Wartezeiten einstellen müssen.