Sendung: Mittendrin Redaktion
AutorIn: Roman Kupisch
Datum:
Dauer: 08:40 Minuten bisher gehört: 625
Anfang Juli wollten wir einen Beitrag senden über eine etwas ungewöhnliche Bovender Konzertreihe. Der Betreiber des Imbiss „Dat Moin“ hatte sich eine Bühne auf den Schotterplatz gestellt und regelmäßig lokale- und internationale Musiker eingeladen. Aus dem Beitrag wurde nichts. Nachbarn fühlten sich gestört, die Polizei brach das Konzert ab. Der Veranstalter fühlte sich von den Genehmigungsbehörden im Stich gelassen, die Behörden fühlen sich falsch dargestellt. Das Wirrwarr aus Aussagen, Ansprüchen und Vorschriften hat Roman Kupisch versucht zu entknäueln.

Sorgt für Krach: Schlagzeug auf der Bühne des "Dat Moin" in Bovenden (Bild: Dat Moin)

Manuskript

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Um es gleich zu Beginn zu sagen: die Sache ist kompliziert, andererseits aber auch ganz einfach. Ein Imbissbetreiber möchte Sonntags in Bovenden eine Konzertreihe veranstalten, ein- oder mehrere Anwohner möchten Sonntags ihre Ruhe. Was folgte ist bekannt. Anruf bei der Polizei und Konzertabbruch. Das war am 10. Juli. Der Nachbar, der die Polizei gerufen hat, legte dem StadtRadio gegenüber seine Gründe dar. Seinen Namen möchte er nicht nennen.

 

O-Ton 1, Nachbar, 37 Sekunden

"Ich habe nix gegen Kultur, ich habe nichts gegen Veranstaltungen ich habe auch nichts gegen irgendwelche Musikgruppen, aber das muss eben immer in einem Rahmen sein, wo ich trotzdem Rücksicht in meinem Programm habe und diese Rücksicht wurde nicht gewährleistet.  Ja, wir sind arbeitende Bevölkerung und möchten gerne am Sonntag unsere Ruhe haben, das ist unser gutes Recht, und haben uns dort gestört gefühlt. Deswegen hab ich gesagt, an diesem Sonntag: Jetzt rufst du die Polizei an. Die sollen bitte überprüfen, ober seine Vorgaben dort einhält und ihn zu bitten, die Lautstärke so zu regeln, dass man sich nicht mehr gestört fühlt."

 

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Soweit ist die Sache noch übersichtlich. Auch für Günther Hartmann, dem Imbissbetreiber und Konzertveranstalter. Er kennt zwar den Beschwerdeführer nicht, kann sich aber schon denken woher die Beschwerde kommt.

 

O-Ton 2, Günther Hartmann, 20 Sekunden

"Ja, das weiß ich ganz genau – Berg hoch, so fünfzig Meter, ziemlich genau Luftlinie. Von da kommen die Beschwerden. Natürlich kann ich jeden verstehen, der sich beschwert und genervt fühlt, weil irgendwelche Geräusche rüber kommen, aber man spricht erst mit den Leuten, bevor man die Behörde einschaltet."

 

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Nun sagen viele der Involvierten aber auch Günther Hartmann hätte erstmal die Behörden einschalten sollen, bevor er die Anwohner mit Konzerten beschallt. Und ab da wird es kompliziert. Denn Kompliziert sind nicht nur die verschiedenen Richtlinien und Zuständigkeiten, die es zu beachten gilt, wenn man eine Veranstaltung anmelden möchte. Schwierig sei auch die Kontaktaufnahme mit den Behörden gewesen berichtet Hartmann.

 

O-Ton 3, Günther Hartmann, 23 Sekunden

"Was wirklich nervt, ist dass die Anmeldung einer Veranstaltung hier in Bovenden einfach unmöglich ist. Das geht schon bei der Chefetage los. Der Bürgermeister hat gesagt ich soll es bei der Polizei anmelden. Die Polizei sagt: Geh mal zum Ordnungsamt. Das Ordnungsamt: Geh mal dahin und diese Stelle vom Landkreis sagt: Geh mal zum Ordnungsamt. Und nun hab ich eine Ausnahmegenehmigung für heute und ja, das war es dann."

 

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Dieser Darstellung widerspricht der Leiter des Bovender Ordnungsamtes Sascha Schwerin in Teilen. Wer eine Veranstaltung durchführen möchte, müsse sich nun einmal bei den zuständigen Behörden melden. Und das sei in Bovenden zunächst das Ordnungsamt. Von den Vorgängen um Hartmanns Konzert habe seine Behörde aber erst nach dem Polizeieinsatz am 10. Juli erfahren. Denn da habe Hartmann sich erstmalig bei ihm gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt lief die Konzertreihe schon einige Wochen. Das Bovender Ordnungsamt habe Hartmann dann umgehend an den Landkreis verwiesen. Denn für das Anmelden einer Konzertveranstaltung ist der Landkreis zuständig. Das ist keine Bovender Besonderheit. Das sei generell so geregelt, bestätigte der Landkreis dem StadtRadio. Der Grund: Eine Genehmigung erteilt nur die Behörde, die auch über einen Immissionsschutzbeauftragten verfügt, denn Immissionsschutz meint auch Lärmschutz. Und über so einen Beauftragten verfügt nun einmal nur der Landkreis. Ausnahmen gibt es, aber die spielen in diesem Fall keine Rolle. Aus Sicht der zuständigen Ämter ist die Sache also eigentlich ganz einfach. Für Hartmann auch, nur eben auf andere Weise. Er habe bereits ähnliche Veranstaltungen, beispielsweise in Wilhelmshaven, durchgeführt und dort würden die Dinge ganz anders geregelt.

 

O-Ton 4, Günther Hartmann, 34 Sekunden

"Ja, das ist einfach eine Katastrophe. Man muss ja ein Veranstaltung anmelden, damit die das wissen. Dann wird bei der Polizei eine Meldung gemacht: So, da ist die Veranstaltung angemeldet oder die wird verboten, die andere Alternative, eine Genehmigung gibt es in der Regel nicht dafür und mehr ist das nicht und genau dieses kriegen die einfach nicht gewechselt und da kann es doch nicht sein, dass ein Bürgermeister Brandes zu mir sagt über Michael Lühmann, ich soll das bei der Polizei melden und Polizei zu mir sagt: Geh mal zum Ordnungsamt und meld dir das da an und die sagen: Nö, wir sind da nicht für zuständig."

 

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Das scheint in Wilhelmshaven tatsächlich anders zu laufen. Und zwar radikal anders, denn nach Auskunft der Wilhelmshavener Stadtverwaltung sind Freiluftgaststätten und Live- Musikdarbietungen überhaupt nicht genehmigungspflichtig. Natürlich kann auch hier niemand machen was er will. Die Verwaltung verweist auf die niedersächsische Freizeitlärmrichtlinie. Die gilt in Wilhelmshaven genauso wie in Göttingen. Ein Überschreiten der festgelegten Richtlinien ist nicht zulässig. Konsequenzen wegen einer fehlenden Genehmigung gibt es in Wilhelmshaven aber nicht, denn auf Grundlage des Immissionsschutzrechtes gibt es keine Verpflichtung, dass der Veranstalter für ein Konzert bei den Behörden eine Genehmigung einholt. Davon ist Hartmann auch bei der Durchführung der Konzerte in Bovenden ausgegangen. Zudem ist er davon ausgegangen, dass eine Bekanntgabe seiner Veranstaltungen bei der Polizei schon ihren Weg zu den richtigen Stellen finden wird. Mit dem bekannten Ergebnis. Langfristig möchte er seine Veranstaltungen daher in Uslar abhalten. Bis dahin gibt es aber noch mindestens einen Konzerttermin in Bovenden kündigt Hartmann an. Um eine Genehmigung beim Landkreis habe er sich bereits bemüht. Ob es dann auch mit den Nachbarn klappt bleibt fraglich. Denn wie der beschwerdeführende Nachbar angibt.

 

O-Ton, Nachbar,  38 Sekunden

"Ich fühle mich auch nicht als Täter, sondern hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt, in der der Veranstalter, der ja nun gar keine Rücksicht genommen hat, so tut als wenn er jetzt das Opfer ist und die bösen Mitbürger, oder der böse Mitbürger, nämlich ich, dafür verantwortlich ist, dass er doch jetzt nach Uslar gehen muss. Da ist er selbst dran schuld, er hätte sich an die Vorgaben halten können und nicht ich muss ein Gespräch suchen, weil ich mich hier gestört fühle, da habe ich gar keinen Bock zu. Ich fahre hier sonntags nicht durch die Gegend und geh in den Bettelstatus, ob er denn bitte mal könnte – nein dafür gibt es Gesetze, dafür gibt es Vorlagen und ich erwarte, dass sich daran gehalten wird."

 

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Hat er auch, sagt Hartmann. Und damit wird die Sache wieder kompliziert und grundsätzlich. Denn auch mit Genehmigung und Einhaltung der Auflagen ist die Nachbarschaft nicht zwangsläufig befriedet. Wie die Immissionsschutzbehörde des Landkreises dem StadtRadio gegenüber angab, ist erstens Lärmempfinden subjektiv und zweitens Akustik tückisch. Je nach Windrichtung und Bebauung kann eine Veranstaltung in 500 Metern störender wirken als in nur 50 Metern. Sollten erneut die Beamten gerufen werden, gelten weder die Genehmigung des Veranstalters noch die Ruhe-Rechte des Nachbarn uneingeschränkt. Dann müssten die Polizisten vor Ort nach Ermessen entscheiden. Das könnten sie auch ganz gut, sagt Jasmin Kaatz, Pressesprecherin der Polizei Göttingen. Die strengen Prüfkriterien der Immissionsschutzbehörde müssten sie dabei nicht einhalten. Die führt ihre geeichten Messungen am sogenannten Immissionsort durch. Das heißt an dem Ort, an dem Geräusche störend sein können. Im Falle eines Anwohners der sich gestört fühlt ist ist das einen halben Meter vor dem geöffneten Fenster in der Wohnung des Anwohners. Bei genehmigten Veranstaltungen darf dann der mittlere Wert von 70dB nicht überschritten werden. Das ist ungefähr so laut wie ein Föhn. Aber zum einen sind das nur Richtwerte und keine verbrieften Rechte und zum anderen kommt bei einem Beschwerdeanruf in der Regel nicht der Immissionsschutzbeauftragte, sondern eben die Polizeistreife. Und für die Aufforderung, den Ton leiser zu drehen, reiche den Beamten ihr geschultes Gehör und ein Gespür für die Belange der verschiedenen Parteien versichert Jasmin Kaatz.